Achtsamkeit in Beziehung

Paul Watzlawick sagte einmal in einem kurzen Interview im Rahmen eines Films über die so geschätzte Virgina Satir, das Neue sei: "...nämlich die Annahme, dass der 'Patient' nicht der Einzelne, sondern dass die Beziehungen des Einzelnen im Familiensystem, dass also das Familiensystem als solches der 'Patient' ist."

Für ein systemisches Verständnis ist ein Denken in Beziehungen grundlegend und war ein radikaler Paradigmenwechsel.
Im Rahmen von Achtsamkeitspraxis ist dieses Verständnis ebenso zentral und kann hier nur angedeutet werden. Wir verstehen uns als miteinander verbunden. Nicht nur als Menschen, sondern mit allem, was mit und um uns lebt. Und wir sehen wie jedes Handeln und Nicht-Handeln Auswirkungen hat und in den Lebenswelten anderer etwas bedeutet, selbst wenn wir diese nie zu Gesicht zu bekommen.

Achtsamkeitspraxis ist durch und durch relational.
Ich kann mich in der Beziehung zu mir selbst sehen, mich "selbst" als Kontext verstehen und als leer zugleich. Beobachten, wie ich in Beziehung trete zu Gedanken, Gefühlen, Körperempfindungen, anderen Menschen, zu Schmerz und zu Lebensereignissen, wie ich automatisch oder absichtlich auf sie reagiere. In Narrativer Therapie betrachten wir die Beziehung zu den Erzählungen über mein Leben und das Leben anderer. Wir beobachten wie Subjektives und Dominantes Wissen in Lebensgeschichten und Kulturen miteinander in Wechselwirkungen stehen, und versuchen heilsame Narrationen zu erfinden, die nicht wahrer, aber leichter lebbar sind.
In der Praxis der Achtsamkeit spielen neben vielen weiteren zwei Grundgedanken eine wichtige Rolle:
Die Einsicht darin, dass alles sich ändert. Jederzeit. Welche Beziehung entsteht jetzt zu diesem Gedanken? Meist mögen wir ihn, wenn es um etwas Unangenehmes geht, das möglichst enden soll. Und wir mögen ihn weniger, wenn wir an etwas festhalten möchten und nicht wollen, dass etwas endet...
Und die Einsicht oder Annahme, dass es nichts in der Welt gäbe was eine festes Selbst besässe. In der Regel kommen wir aber nicht umhin, Bilder von uns selbst und anderen zu entwickeln, denen wir dann häufig eine gewisse Konsistenz und damit schleichend auch einen gewissen Wahrheitsgehalt zusprechen.

Wenn diese Wahrheiten dann beginnen miteinander in Wettstreit zu treten könnte ein Innehalten angebracht sein. Den Atem spüren. Sich der Kraft der Vergänglichkeit bewusst sein. Mitgefühl und Gleichmut, Mitfreude und Freundlichkeit pflegen. Wieder neu in Beziehung gehen mit Anfängerinnengeist, Geduld und Vertrauen. Zu uns selbst und zu anderen. Mit denen wir "dieses eine wilde und kostbare Leben" leben, wie Mary Oliver es in ihrem Gedicht 'A summerday' nennt.
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